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Die stimmige Stimmung

(26. September 2025) Wir befragen die allwissende Müllhalde in der Wikipedia-Ausprägung und erfahren: „Stimmung bezeichnet in der Psychologie eine Form des angenehmen oder unangenehmen Fühlens, das den Hintergrund menschlichen Erlebens bildet. Die Stimmung hängt hauptsächlich von der (biologischen) Gesamtverfassung des Individuums und seinem Befinden ab.“

Als Zauberer wollen wir ja immer eine angenehme Stimmung für unsere Gäste und Zuschauer erzeugen, damit es eben ein „stimmiges“ Gesamterlebnis gibt: Nicht zu hell im Zuschauerraum, damit nichts vom Bühnengeschehen ablenkt, vorne viel Licht, damit alle gut sehen, bequeme Stühle, Musik-queues, damit jeder weiß wann’s losgeht und aufhört, Weinchen, Bierchen und Knabberzeug damit kein knurrender Magen vom geschliffenen Vortrag ablenkt, versetzte, ansteigende Sitzreihen, damit alle jederzeit gut sehen können – und bloß keine Bemerkungen über Politik, Religion oder Dosenpfand, denn wie sagt der Kölner? „Am schönsten isset, wenn et schön is“.

Wie ist denn wohl die Stimmung bei einem Zauberauftritt in der Turnhalle (so etwa in Höhe des Volleyballfelds) mit fünf, nicht-ansteigenden Sitzreihen hintereinander gebildet aus normalen Bürostühlen, so beleuchtet, wie Turnhallen nun mal eben beleuchtet sind, ohne elektrische Stimmenverstärkung und Musik und ohne catering vor lauter Leuten, die in ihrer Arbeitskleidung aufmarschiert sind? Sie ist überbordend, ausgelassen, verblüfft, fröhlich, anteilnehmend, mitmachend und für den Künstler eine einzige Freude – wenn sie so wie beschrieben in einer Justizvollzugsanstalt stattfindet!

Es ist im Wortsinne verrückt, die Maßstäbe scheinen ver-rückt, ist doch dieses Publikum und die Stimmung (wir schrieben gelegentlich davon z.B. hier und hier) genauso, wie man sich jedes Publikum, wie man sich jede Stimmung wünschen würde, obwohl die äußeren Umstände (kein Licht, kein Ton, keine Jingles, …) denkbar ungünstig zu sein scheinen. Der Kontrast könnte nicht größer sein und vielleicht bleiben einem deshalb diese Auftritte – in diesem Falle in der JVA Darmstadt – so hängen. Es mag zu dieser Stimmung beitragen, dass sich die Menschen im Publikum alle gegenseitig kennen, aber wenn dass das entscheidende Kriterium wäre, dann müssten ja auch Auftritte zum Beispiel bei Firmen einen ähnlichen Charakter haben, aber das ist – vorsichtig formuliert – nicht immer der Fall.

Ich werde einen Teufel tun und mich fremden Federn schmückten: Die Diskrepanz zwischen „Stimmung des Ortes“ und „Stimmung des Publikums“, die wir zwar alle gespürt haben, aber nicht so recht in Worte fassen konnten, hat der Zauberfreund Alex Morgenthau als Erster benannt: Danke, Alex!

„Wir“ war übrigens kein pluralis majestatis, sondern bezeichnet außer Alex noch die Zauberfreunde Freddy Tau, Stephan Hübner und mich.

P.S.: Aus leicht verständlichen Gründen ist das fotografieren in JVAs untersagt, deshalb muss der KI-generierte Zylinderträger als Beitragsbild ran …

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3 = 5

(27. März 2025) Die AutoUnion, ein in Audi aufgegangener Autohersteller, verkaufte in den Jahre 1955 – 1959 das Modell DKW F 93/94 und bewarb es mit dem Slogan „3 = 6“. Damit sollte gesagt sein, dass der klassische 3-Zylinder-2-Takt-Motor genauso laufruhig und leistungsfähig sei, wie ein 6-Zylinder-4-Takt-Motor (Massekräfte zweiter Ordnung und so …). Das war selbstverständlich genauso übertrieben, wie es übertrieben wäre, zu sagen, dass unser Auftritt in der JVA Weiterstadt mit den drei Zauberfreunden, die wir waren, genauso gut war, wie er gewesen wäre mit den fünf Zauberfreunden, die ursprünglich geplant waren. Aber et‘ is‘ wie et‘ is‘: Menschen kommen unabweisliche Dinge dazwischen, Menschen werden krank. Also waren Andreas Frank, Alex Morgenthau und Karsten Meyerhoff nur zu Dritt: Okay, jeder spielt eine Nummer mehr, basst scho‘.

Wieviel besser unser Auftritt auch immer hätte sein können mit den ursprünglichen fünf Musketieren: Das Publikum war erneut ein Traum (vergleiche zum Beispiel hier)! Man ist willens, sich unterhalten zu lassen, man geht mit, man klatscht und lacht. Ja, natürlich trägt der Fokus auf den Zauberer zum Gelingen bei: Kein Service, der mal eben mitten in’s Becherspiel den Nachtisch aufträgt und auch kein betrunkener Onkel zweiten Grades, der glaubt zum Programm beitragen zu müssen.

Und auch das muss einfach noch mal gesagt sein: Wir werden erneut von allen Bediensteten sehr freundlich und zuvorkommend behandelt – und es stehen Getränke und Snacks bereit! Das ist wirklich ungewöhnlich gastfreundlich.

Und am Schluss verabschiedet uns die Leiterin der JVA, Jutta Staudt-Treber, mit den Worten: „Tschüss bis zum nächsten Mal.“ – und das ist unglaublich sympathisch, denn es zeigt, dass wir „zur Familie“ gehören – und das nach grade mal zwei Auftritten.

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Der besondere Auftritt

(21. November 2024) Mancher Auftritte erinnert man sich noch lange, weil sie so schrecklich waren, weil die zu Unterhaltenden sich lieber unterhalten hätten, oder weil sie betrunken waren oder aus irgendeinem anderen Grunde einfach keine Lust auf Zauberei hatten. Von meinem all time favorit berichtet ein Zauberfreund, der für eine Firmenfeier engagiert wurde und der vom Chef mit den Worten vorgestellt wurde: „Der Firma geht’s schlecht, wir werden viele von Euch entlassen müssen – aber jetzt kommt erst mal der Zauberer …“.

Manche Auftritte sind aber auch denkwürdig, weil sie so viel Spaß gemacht haben und einfach „besonders“ waren. Alex Morgenthau, Sebastian Haug, Harry Keaton und ich, Karsten Meyerhoff, in der JVA Weiterstadt, das war so ein besonderer, denkwürdiger Auftritt. Er beginnt damit, dass wir zu Dritt im Bühnenkostüm vor der Pforte stehen, auf den vierten Künstler warten und ein Kordon von Polizeifahrzeugen in die Sicherheitsschleuse einzufahren im Begriffe ist. Einem der Fahrzeuge entsteigen Polizisten, die aussehen, wie in einem Thriller: Schwarz gekleidet, Sturmhauben, schusssichere Westen und die Maschinenpistolen im Anschlag. Wer bis jetzt noch nicht so genau gewusst haben sollte, wo er sich befindet: Jetzt weiß er’s.

Man ist unglaublich freundlich und zuvorkommend zu uns, fragt ob wir den Raum lieber so oder anders eingerichtet hätten und es stehen Getränke und ein kleiner Snack bereit. Der Raum ist super: Groß und hell, es gibt eine Bühne mit Licht- und Tontechnik und Vorhang und allem Drum und Dran – die Bühne benutzen wir aber nicht, sondern stehen lieber davor, um noch ein wenig näher am ca. 50 Häupter zählenden Publikum zu sein.

Das Publikum: Man kann sich kein enthusiastischeres solches vorstellen, man kann sich kein Publikum wünschen, das mehr mitgeht, mehr Anteil nimmt. Das geht so weit, dass ein-, zweimal darum gebeten wird, der Künstler möge doch etwas mehr in die Mitte treten, damit man besser sehen könne. Das ist ehrlich gesagt ziemlich großartig! Die Atmosphäre ist entspannt und gelöst, es wird applaudiert und gelacht dass es eine Art hat, es wird überaus freundlich geheckelt und reingerufen, wo denn der Hase bleibe. Ganz ehrlich: Wenn ich mir ein Publikum backen könnte, so würde es aussehen! Und wie immer unter solchen Umständen ist alles viel zu schnell vorbei.

Unser besonderer Dank gilt allen Bediensteten der JVA Weiterstadt, die diesen Auftritt möglich gemacht und ihn begleitet haben: Wir haben uns sehr wohl  und sehr willkommen gefühlt!